Klangfenster

(1 – 25)  Fastenzeit


25 – Karsamstag, 11.04.2020

John Cage (1912–1992): 4'33''

Der heutige Karsamstag ist ein Tag der Stille, der Tag der Grabesruhe. Am Karsamstag gibt es keine liturgische Feier, und auch Orgel und Glocken schweigen (vom Gloria am Gründonnerstag bis zum festlichen Ostergloria in der Osternacht).
Und doch möchte ich im heutigen Klangfenster ein Musikstück vorstellen – zugegebenermaßen nicht ganz ohne Augenzwinkern, aber dennoch mit großer Ernsthaftigkeit.
Und zwar ist es das am 29. August 1952 uraufgeführte Werk „4'33''“ des US-amerikanischen Komponisten John Cage. Die Druckausgabe des Werkes weist drei Sätze auf, die jeweils mit der Spielanweisung „tacet“ („schweigt“) versehen sind – das ganze Werk hat eine Gesamtlänge von 4 Minuten und 33 Sekunden, die Länge der einzelnen Sätze ist nicht vorgegeben (im heutigen „Klangfenster“ ist der zweite der längste und der dritte der kürzeste Satz). Faktisch spielt der Musiker also keinen einzigen Ton. Cage provoziert mit seinem Werk natürlich den Hörer, möchte uns aber auch für die Klänge sensibilisieren, die um uns herum sind, meistens, ohne dass wir sie bewusst wahrnehmen. Er schreibt: „Bis ich sterbe, wird es Klänge geben. Und diese werden meinen Tod überdauern.“
Jesus Christus liegt am heutigen Karsamstag im Grab, er ist gestorben. Und doch ist nicht Nichts. Es geht weiter.
Ich möchte Sie und Euch einladen, das heutige „Klangfenster“ ganz bewusst zu erleben und die Klänge wahrzunehmen, die ich sonst bei Tonaufnahmen eher zu vermeiden bzw. auszublenden versuche – das Rauschen des Wassers im Brunnen auf dem Kirchplatz, die Stimmen der Vögel, ferne Menschenstimmen usw. Die sonst oft ungewünschten Nebengeräusche werden zu Hauptgeräuschen.
Und sehen Sie es auch als Einladung, über das Video hinaus Ihre und Eure Umgebung heute einmal bewusster wahrzunehmen, nicht nur die lauten Klänge an sich heranzulassen, sondern mit offenen Ohren ganz aufmerksam den Klängen der Natur zu lauschen, dem Rauschen des Blutes im eigenen Körper, jedem Atemzug. Wir werden feststellen: Die Welt steht niemals still.


24 – Karfreitag, 10.04.2020

Thomas Laubach / Karl-Bernhard Hüttis: Der Abend kommt

Karfreitag. Jesus wird zum Tode verurteilt. Als er am Kreuz dem Ende seines irdischen Lebens entgegensieht, spürt er, wie der Lebensatem immer schwächer wird.

„Der Abend kommt, die Nacht zieht Kreise und immer schwächer wird das Licht. Der Tag ist müde, legt sich schlafen und Morgen ist noch nicht in Sicht.“

In diesem Leid ist es kaum möglich, zuversichtlich zu sein. Auch Jesus klagt seinen Vater an: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Wir stehen in diesen Tagen vielleicht in einer ähnlichen Situation, leiden, blicken sorgenvoll in die Zukunft, wissen nicht, wie es weitergehen kann. Unser Schicksal ist es, nur Vergangenheit und Gegenwart zu kennen. Was danach kommen wird, wissen wir heute noch nicht.
Blicken wir zurück auf das Leiden Jesu, so wissen wir jetzt, in der Rückschau auf damals, dass selbst alles Leiden seinen Sinn hatte, dass es sich zum Guten kehrte, dass Tod und Leiden überwunden wurden. Gott ist auch im Leid bei uns, er steht uns bei, und wenn das Licht das Dunkel allmählich vertreiben wird, werden wir wissen, dass Gott uns in seinen Armen getragen hat.
So heißt es auch weiter in dem Lied:

„Doch fängt das Dunkel uns auch ein, Gott wird ganz sicher bei uns sein.
Wenn wir in höchsten Nöten leben, in tiefster Nacht das Ende sehn, wenn nichts und niemand mehr uns tröstet, wird Gott uns doch zur Seite stehn. In jeder Finsternis, die droht, ist Gott bei uns, teilt unsre Not.
In allen Ängsten, jeder Leere, ist Gott bei uns und hüllt uns ein. Wenn Dunkelheit auch lange dauert, wird Gott noch länger bei uns sein. Und jede Nacht, die auch anbricht, schreibt Gott die Hoffnung ins Gesicht.
Gott nimmt uns zärtlich in die Arme, in jedem Menschen, der uns liebt, in jedem Wort, das uns begleitet, in jedem Blick, der Aussicht gibt. Denn allen Sorgen dämmert Gott und weckt uns auf im Morgenrot.“

Diesen beeindruckenden, hoffnungsvollen Text schrieb der Theologe Thomas Laubach (geb. 1964) im Jahr 2009, seine Texte sind vor allem durch die Lieder der bekannten christlichen Band RUHAMA bekannt geworden. Die Melodie des Liedes „Der Abend kommt“ stammt von Karl-Bernhard Hüttis (geb. 1955), der bis 2011 als Regionalkantor in Meppen tätig war und in den letzten Jahren an St. Johann in Bremen wirkte.
Möge uns in diesem Lied heute, am Karfreitag, in dem Tod und Leiden im Mittelpunkt stehen, schon ein wenig das Licht des Osterfestes dämmern.

(Das Bild zur Musik zeigt den Abendhimmel über dem Dammer Bergsee.)


23 – Gründonnerstag, 09.04.2020

Sigfrid Karg-Elert (1877–1933): Ach bleib mit deiner Gnade op. 65 Nr. 1

Heute ist Gründonnerstag. Heute gedenken wir des letzten Abendmahls von Jesus Christus mit seinen zwölf Jüngern am Vorabend vor seiner Kreuzigung. Das Lied „Beim letzten Abendmahle“ (GL 282), getextet von Christoph von Schmid 1807, beschreibt genau diese letzte Abendmahlsfeier:

1) Beim letzten Abendmahle, / die Nacht vor seinem Tod,
nahm Jesus in dem Saale / Gott dankend Wein und Brot.

2) „Nehmt“, sprach er, „trinket, esset: / Das ist mein Fleisch, mein Blut,
damit ihr nie vergesset, / was meine Liebe tut.“

3) Dann ging er hin zu sterben / aus liebevollem Sinn,
gab, Heil uns zu erwerben, / sich selbst zum Opfer hin.

Die Melodie des Liedes ist schon rund zweihundert Jahre älter als der Text. Sie stammt aus der Feder des Komponisten Melchior Vulpius (um 1570–1615) und gehörte ursprünglich zu dem Lied „Christus, der ist mein Leben“ (GL 507), das außerdem und vor allem mit dem Text „Ach bleib mit deiner Gnade“ (GL 347) Bekanntheit erlangte (daher auch der Werktitel im heutigen „Klangfenster“).
Zu dieser bekannten Melodie schrieb der Komponist Sigfrid Karg-Elert 1906 als eines seiner ersten Orgelwerke eine Choralbearbeitung, die drei Jahre später als Nr. 1 in der Sammlung von 66 Choral-Improvisationen op. 65 veröffentlicht wurde (bis dahin hatte Karg-Elert vor allem Klavier- und Harmonium-Werke geschrieben). Das Werk ist durchgängig als Orgeltrio – also für zwei Manuale und Pedal – geschrieben, beide Manuale sollen gleichstark, aber „in der Farbe recht verschieden“ registriert sein. In seiner stark melismatisch ausgearbeiteten Cantus-firmus-Behandlung, die den zugrunde liegenden Choral kaum noch erkennen lässt, erinnert das Werk sehr an das im „Klangfenster“ am Dienstag (07.04.) zu hörende „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ aus Johann Sebastian Bachs Orgelbüchlein.
Steigen wir mit der heutigen Musik ganz bewusst in das Triduum Sacrum, die „heiligen drei Tage“ des Osterfestes, ein, das mit dem heutigen Gründonnerstagabend beginnt und sich dann über Karfreitag, den Tag des Leidens und Sterbens Jesu, und Karsamstag, dem Tag des Grabesruhe, bis hin zur Osternacht als Feier der Auferstehung des Herrn erstreckt.
Das Bild zur Musik zeigt heute einen Ausschnitt aus dem Herz-Jesu-Altar der Dammer St.-Viktor-Kirche, in dem die Fußwaschung vor dem letzten Abendmahl gezeigt wird.


22 – Mittwoch, 08.04.2020

Jehan Alain (1911–1940): Choral dorien

Mit dem „Choral dorien“ von Jehan Alain steht heute ein Orgelwerk von archaischem Charakter auf dem Programm der „Klangfenster“. Der Komponist Jehan Alain stammte aus einer Musikerfamilie und galt schon während seines Studiums am Conservatoire National Superieur in Paris als große Hoffnung der französischen Orgelszene. Im September 1939 wurde er zum Kriegsdienst einberufen und fiel am 20. Juni 1940 im Alter von 39 Jahren in einem Gefecht bei Saumur. Doch schon in seinem kurzen Leben schuf er eine große Anzahl beeindruckender Kompositionen, die besonders durch ihre eigenständige Behandlung der Harmonik und ihren Klangfarbenreichtum beeindrucken.
Seine beiden Choräle („Choral dorien“ und „Choral phrygien“) entstanden 1935 und wurden im folgenden Jahr uraufgeführt. Die Bezeichnungen „dorien“ und „phrygien“ orientieren sich an der griechischen Terminologie, die unsere heutige Kirchentonart Dorisch als Phrygisch und Phrygisch als Dorisch bezeichnet. Der „Choral dorien“ entwickelt eine fünftaktige, immer wiederkehrende Periode, die durch Klangfarbensteigerung und Vermehrung der Stimmenzahl dynamisch abgestuft wird. Der schwebende, schwerelose Charakter der Klänge wird durch die fließende Rhythmik ohne Schwerpunkte unterstützt. Auf der Orgel in Osterfeine mit ihrem dynamisch fein abgestuften Klangwerk aus der Entstehungszeit der Komposition kommt Alains Musik besonders gut zur Geltung.
Verbunden mit dem Bild des Kreuzes aus der Osterfeiner St.-Mariä-Himmelfahrt-Kirche kann die Musik uns heute zum Innehalten einladen. Die Musik stellt eine Verbindung her zwischen Schwere, Leid und Trauer auf der einen und Leichtigkeit, Schwerelosigkeit und Hoffnung auf der anderen Seite.


21 – Dienstag, 07.04.2020

Joh. Sebastian Bach (1685–1750): O Mensch, bewein dein Sünde groß 622

Johann Sebastian Bachs „Orgelbüchlein“ – seine in den Jahren 1712 bis 1717 in Weimar komponierten 46 Choralbearbeitungen – gehören zum zentralen Repertoire der Kirchenmusikgeschichte. Der mit Abstand längste Satz aus der Sammlung ist die Bearbeitung des Chorals „O Mensch, bewein dein Sünde groß“. In langsamem Tempo in Es-Dur erscheint der Cantus firmus in einem reichen Sopran-Melisma, während die Mittel- und Unterstimmen ein vielfältiges harmonisches Gefüge bilden, das sich in seiner musikalischen Ausdeutung nah am Text bewegt. Der Schluss, der sich im Tempo noch einmal verlangsamt, verdeutlicht die Textpassage „trüg unsrer Sünden schwere Bürd wohl an dem Kreuze lange“.
Der 1530 von Sebald Heyden verfasste Choraltext findet sich in einer revidierten Fassung im katholischen Gotteslob unter Nr. 267. Die beiden heute noch gesungenen Strophen waren ursprünglich der Rahmen einer 23-strophigen Passionsbetrachtung. In der ersten Strophe wird die erlösende Bedeutung des Wirkens und Sterbens Jesu formuliert. Und die Dankbarkeit für sein Leiden kommt in der letzten Strophe zum Ausdruck.
So mag uns die eindrückliche Musik Bachs auch zur Dankbarkeit für Jesu „Mit-Leid“ animieren und damit dem Leiden, dessen wir in dieser Woche gedenken und das auch in unsere Tage hinein reicht, einen Sinn geben.


20 – Montag, 06.04.2020

Cesar Bresgen (1913–1988): Postludium zur Passion

Der österreichische Komponist Cesar Bresgen ist – ebenso wie der mit ihm befreundete Carl Orff – eher durch sein pädagogisches Engagement und die Komposition von Singspielen und Kinderopern bekannt. Aber auch die Orgel spielt in seinem Werk eine Rolle, war er doch selbst ausgebildeter Organist. Aus seinem 1983 erschienenen Orgelbuch (Heft 1) mit 14 kurzen Präludien, Interludien und Postludien stammt auch das heute zu hörende Postludium zur Passion. Seine eindrucksvolle Wirkung bezieht es vor allem aus den Dissonanz- und Harmoniereibungen, die auf das Leiden Jesu in der Passionserzählung anspielen.
In der Musik kann die in den Palmsonntagsgottesdiensten gelesene Passionsgeschichte nach dem Evangelisten Matthäus noch einmal in uns nachklingen – sozusagen als „Postludium“ („Nachspiel“), bevor in den nächsten Tagen dann auch in den „Klangfenstern“ die Musik eher leisere Töne in Vorbereitung auf die Feiern von Leiden, Tod und Auferstehung anschlägt.
Im Video sehen wir den in der Fastenzeit geschlossenen Hochaltar im „Dammer Dom“ mit dem seit dem Passionssonntag verhüllten Kreuz.


19 – Palmsonntag, 05.04.2020

Everett Titcomb (1884–1968): Hosanna

Am heutigen Palmsonntag erklingt im „Klangfenster“ ein Werk des US-amerikanischen Komponisten Everett Titcomb. Titcomb wurde in Amesbury, Massachusetts, geboren und studierte bei Samuel Brenton Whitney in Boston. Von 1910 bis zu seinem Tode war er Organist und Kantor an der anglikanischen Church of St. John the Evangelist in Boston. Sein Name ist in einer Reihe mit dem des weitaus bekannteren Komponisten Leo Sowerby (1895–1968) zu nennen. Titcombs Musik ist eng mit der anglikanischen Liturgie verbunden, ist aber – anders als die Musik Sowerbys – einfacher in den Harmonien und Strukturen. Typisch für seine Kompositionen sind klar abgetrennte Abschnitte mit teils abrupten Übergängen sowie eine klare Melodieführung.
Titcombs „Hosanna“ beruht auf mehreren Gesängen des Palmsonntags. Den prominentesten Platz nimmt der Ruf „Hosanna Filio David“ ein, der in der deutschen Fassung „Hosanna dem Sohne Davids“ auch im Gotteslob unter Nr. 302,2 zu finden ist. Er ist Ausgangsmotiv für die im forte bzw. fortissimo erklingenden Rahmenteile.
Im ersten leiseren Abschnitt wird die gregorianische Melodie des „Pueri Hebraeorum“ zitiert: „Die Kinder der Hebräer nahmen Ölzweige in die Hände. / Sie gingen dem Herrn entgegen, sie riefen und sagten: Hosianna in der Höhe!“ Die Bassbegleitung im Pedal wird aus dem charakteristischen aufsteigenden Quintsprung des Hosanna-Rufs gebildet.
Der zweite leise Abschnitt bringt in der linken Hand die 1614 von Melchior Teschner geschriebene Melodie des Liedes „Valet will ich dir geben“, auf die im englischen Sprachraum der Palmsonntagstext „All Glory, Laud and Honor“ gesungen wird. (Auch im katholischen Gotteslob kennen wir die Melodie: GL 185, GL 395 und GL 540.)
Im Video sieht man Bilder von den Palmsegnungen gestern in der St.-Viktor-Kirche. Kinder und Familien sowie Erwachsene waren eingeladen, Palmstöcke zu basteln und diese in die Kirche zu bringen. Sie wurden dann von Pastor Heiner Zumdohme in einer per Livestream übertragenen Andacht gesegnet. Anschließend konnten die Palmstöcke wieder mit nach Hause genommen werden. In der Palmsonntags-Vorabendmesse um 19 Uhr wurden dann von Pastor Abraham Parappallil die Palmzweige gesegnet, die in den letzten beiden Bildern zu sehen sind.
Mit dem Palmsonntag beginnt heute die Heilige Woche, die Karwoche. Auch wenn wir die Liturgien in diesem Jahr nicht gemeinsam in unseren Kirchen feiern können, haben wir doch die Möglichkeit, diese besonderen Tage auch von zuhause aus mitzufeiern und ganz bewusst zu begehen. Die Segnung der Palmstöcke an diesem Wochenende ist ein schönes Zeichen dafür. Möge die Musik der „Klangfenster“ dazu auch einen Beitrag leisten.


18 – Samstag, 04.04.2020

Yiruma (geb. 1978): Hope

Die Musik des südkoreanischen New-Age-Pianisten Yiruma (mit bürgerlichem Namen Lee Ru-ma) erfreut sich großer Beliebtheit bei einer breiten Hörerschaft. Mit seinen eingängigen Melodien und Harmonien, die sich stilistisch zwischen „Easy Listening“ und populärer Klassik bewegen, hat er den Nerv der Zeit getroffen. 2011 erreichte er mit seinem Stück „River Flows In You“ sogar einen Platz in den deutschen Singlecharts.
Das Stück „Hope“ („Hoffnung“) stammt aus dem 2008 erschienenen Album P.N.O.N.I. (Der Albumtitel ist eine homophone Abkürzung für „Piano And I“.) Die Melodie des im schwingenden 6/8-Takt stehenden Werks lebt vom Wechsel jeweils zwischen duolischer erster Takthälfte und der zweiten Takthälfte im Dreierrhythmus, was sich als Muster durch das ganze Stück durchzieht. Zwei Melodie-Motive wechseln sich ab, wobei das erste als Hauptmotiv das Stück bestimmt. Bei der Übertragung auf die Orgel habe ich die Begleitung gegenüber der Klavierfassung vollstimmiger angelegt, die für das Klavier typischen Akkordbrechungen wurden reduziert.
Das Bild zum Video habe ich dankenswerterweise von einer Chorsängerin bekommen es – es passt, wie finde, sehr gut zu der Musik. So wie die Luftballons in Herzform vor der Dammer St.-Viktor-Kirche zum Himmel emporsteigen, so dürfen auch wir unsere Hoffnung zu Gott aufsteigen lassen.
Ein Spruch lautet: „Mit Glaube wird alles möglich. Mit Liebe wird alles einfach. Mit Hoffnung wird alles gut.“ Lassen wir uns von dieser Zuversicht an diesem Wochenende und in der kommenden Karwoche tragen.


17 – Freitag, 03.04.2020

Vladimir Vavilov (1925–1973): Caccinis Ave Maria

Es gibt in der Musikgeschichte immer wieder Werke, die „unter falschem Namen“ Verbreitung fanden, dazu gehört auch das heute zu hörende Werk, das als das „Ave Maria von Caccini“ bekannt wurde.
Der russische Lautenist Vladimir Fjodorovitsch Vavilov nahm 1970 eine Schallplatte auf, die laut Titel Lautenmusik des 16. und 17. Jahrhunderts enthielt, teilweise von namentlich genannten Barock-Komponisten, teilweise von anonymer Urheberschaft. Darunter auch ein „Ave Maria“ für Gesang, Laute und Orgel, das im Laufe der kommenden Jahre dem italienischen Barockkomponisten Giulio Caccini (1551–1618) zugeschrieben wurde. Erst später stellte sich heraus, dass es – wie auch etliche andere der von Vavilov interpretierten Werke – von Vladimir Vavilov selbst stammte. Letztlich tut es dem Werk aber keinen Abbruch: Es erfreut sich bis heute großer Beliebtheit bei einer breiten Hörerschaft.
Textlich wird gar nicht das komplette Ave-Maria-Gebet vertont, sondern lediglich die beiden Worte „Ave Maria“ gesungen, ergänzt durch ein abschließendes „Amen“. Lange Passagen werden einfach auf Vokalise „a“ gesungen. Die Begleitung besteht hauptsächlich aus schlichten, taktweise wechselnden Akkorden, die in Vierteln pulsieren.
Der Erfolg des Werkes mag in der herzergreifenden Melancholie liegen, die der Komposition zu eigen ist. Sie stellt eine Verbindung zwischen romantischer Sehnsucht, innigem Gebet und lichter Hoffnung dar, die uns auch in unseren Tagen tief zu berühren vermag.
Im Bild zur Musik ist das Tympanon über dem Hauptportal der Dammer St.-Viktor-Kirche zu sehen: Die Huldigung der Unbefleckten Gottesmutter Maria, ein Kunstwerk des Münsteraner Bildhauers Fritz Ewertz.


16 – Donnerstag, 02.04.2020

Arturo Clementoni (1857–1948): I Misteri del Rosario

1. Misteri Gaudiosi
2. Misteri Dolorosi
3. Misteri Gloriosi

Heute bietet das „Klangfenster“ sozusagen einen „Kirchenjahres-Rundumschlag“ mit der Komposition „I Misteri del Rosario“ („Die Geheimnisse des Rosenkranzes“) des italienischen Komponisten Arturo Clementoni.
Clementoni wirkte in der mittelitalienischen Region Marken (in Tolentino und Ascoli Piceno). In seinem Zyklus der drei Rosenkranz-Mysterien, die den Untertitel „Poemetto impressionistico“ („Kurzes impressionistisches Gedicht“) tragen, zeichnet der Komponist auf kompakte, aber sehr plastische Weise die Lebensstationen Jesu und Mariens im Jahreskreis nach und orientiert sich dabei an drei ausgewählten Rosenkranz-Geheimnissen.
Es beginnt mit dem freudenreichen Rosenkranz, zu dem Clementoni die Weihnachtsgeschichte musikalisch darstellt. Der zweite Satz ist der schmerzreiche Rosenkranz, der das Leiden Jesu bis zur Kreuzigung und zum Tod betrachtet. Im dritten Satz stellt der Komponist den glorreichen Rosenkranz vor, dessen Clausulae auf Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, die Himmelfahrt Mariens und die Krönung Mariens ansprechen.
Die Abläufe der musikalischen Sätze orientieren sich nicht hundertprozentig am traditionellen Ablauf der Rosenkranzgeheimnisse, vielmehr stellen sie eine dramaturgische Betrachtung des Gesamtgeschehens da, die allerdings im Sinne der Programmmusik – auch mit leitmotivischen Elementen – sehr detailliert in den Noten gekennzeichnet ist.
Das Video gibt die Abschnitte der Komposition in italienischer und deutscher Sprache wider. Dazu sind Aufnahmen aus dem reichen Schatz der bildlichen Darstellungen in der Osterfeiner St.-Mariä-Himmelfahrt-Kirche zu sehen. In diesem Falle lohnt es sich also, sehr genau Musik UND Bilder zu verfolgen. Und vielleicht auch das ein oder andere Gesätz des Rosenkranzes zu beten…


15 – Mittwoch, 01.04.2020

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847): Adagio d. 1. Sonate op. 65 Nr. 1

Die sechs Orgelsonaten von Felix Mendelssohn Bartholdy gehören zum Kernbestandteil des Orgelrepertoires aus dem 19. Jahrhundert. Die 1845 in London veröffentlichten Sonaten op. 65 sind sozusagen der Startpunkt einer langen Reihe weiterer Orgelsonaten, die im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entstanden (in den „Klangfenstern“ der vergangenen Tage hörten wir ja bereits Beispiele von Töpfer und Herzog). Jedoch entstanden sie gar nicht in einem Guss, sondern sind großenteils Zusammenstellungen bereits vorhandener Orgelsätze, die Mendelssohn für die Veröffentlichung teilweise umarbeitete und zu Sonaten zusammenfügte.
Heute erklingt das Adagio, der zweite Satz aus der ersten Sonate in f-Moll. Der in der Paralleltonart As-Dur stehende Satz ist geprägt durch die dialogisierenden Manualwechsel, die eine dynamische Schattierung bringen. Der Satz strahlt eine schwebende Eleganz aus, die auch durch das späte Einsetzen des Pedals befördert wird, welches die entrückten Klänge schließlich „erdet“.
Die Musik hat etwas „Himmlisches“ – vielleicht kann sie uns heute das Licht des Himmels durch die Wolken auf die Erde scheinen lassen.


14 – Dienstag, 31.03.2020

Marcel Dupré (1886–1971): Lamento op. 24

„Lamento“ – die Klage oder der Trauergesang: In allen Zeiten und Epochen haben sich Komponisten auch mit der Trauer in der Musik auseinandergesetzt. Trauer kann ganz viele verschiedene Ausprägungen haben, von der stillen Zurückgezogenheit bis hin zur lautstarken Anklage.
Das heutige Musikstück stammt von dem französischen Organisten und Komponisten Marcel Dupré. Er schrieb sein Lamento op. 24 im Jahr 1924 und widmete es dem befreundeten Ehepaar Henderson in Glasgow, die kurz zuvor ihr einziges Kind im Alter von drei Jahren verloren hatten. Dupré verarbeitet in der Musik die verschiedenen Formen der Trauer: Lethargie, Verzweiflung, Erinnerung an die schönen Zeiten. Aber – wenngleich die Musik als traurigste Komposition Duprés bezeichnet wird – es schimmert auch immer wieder die Hoffnung und die Gewissheit des ewigen Lebens durch. So endet das Werk, das hauptsächlich in der Trauertonart Moll steht, am Ende mit Dur-Akkorden.
Auch in diesen Tagen müssen wir Trauer und Verzweiflung aus uns herauslassen. Wenn wir unsere Anklage vor Gott bringen, können wir gewiss sein, dass er es hört und uns in unserem Leiden begleitet.
Das Bild, das die Musik heute begleitet, ist eine Aufnahme der Kreuzigungsgruppe auf dem katholischen Friedhof in Damme. Die Tonaufnahme (heute einmal aus der „Konserve“) entstand am 01.04.2014 im Rahmen der 30. Nachtmusik in der Dammer St.-Viktor-Kirche.


13 – Montag, 30.03.2020

Johann Georg Herzog (1822–1909): Passionssonate op. 62 Nr. 3

1. Andante sostenuto
2. Gemäßigt
3. Ruhig und getragen
4. Choral

Am Montag vor Palmsonntag geht die Pfarrei St. Viktor traditionell auf Wallfahrt nach Lage. Daher öffnet sich das „Klangfenster“ heute einmal aus der dortigen Wallfahrtskirche.
Seit dem 14. Jahrhunderten gibt es Wallfahrten zum Lager Kreuz: das 1315 geweihte Astkreuz wird zu Gebeten und Gesang um die Kirche getragen, womit die Pilger für Schwerkranke oder auch um den Segen für die Aussaat beten. Neben den Pilgergruppen, die besonders in der Fastenzeit hierher kommen, finden sich jeden Freitagabend Menschen zur Kreuztracht auf Lage ein. Gerade in diesen Wochen, wo das Gebet um Schwerkranke besondere Bedeutung hat, ist auch das Tragen des Kreuzes leider nicht mehr möglich. Umso wichtiger ist das persönliche Gebet um unser aller Gesundheit.
Musikalisch gibt es heute wieder eine Sonate: Diesmal die Passionssonate des Erlanger Organisten, Komponisten und Hochschullehrers Johann Georg Herzog. Die Sonate gehört zur Reihe der insgesamt sieben 1890 erschienenen Sonaten op. 62, deren Themen sich am Kirchenjahr orientieren. (Die sechste Sonate zeigt übrigens frappierende Parallelen zu Felix Mendelssohn Bartholdys sechster Sonate; beide haben den Luther-Choral „Vater unser im Himmelreich“ als Grundlage.)
Die Passionssonate ist die dritte Sonate der Sammlung, sie nimmt den Choral „Schmücke dich, o liebe Seele“ als Ausgangspunkt – eigentlich ein eucharistisches Lied zur innerlichen Vorbereitung auf das Abendmahl. Der Text stammt von Johann Franck, die Melodie von Johann Crüger, beide entstanden Mitte des 17. Jahrhunderts.
Der Einleitungssatz der Sonate (Andante sostenuto) übernimmt das Kopfmotiv des Chorals und führt es in der Art eines Praeludiums weiter. Es folgt als zweiter Satz eine Fuge mit einem chromatisch abwärts gerichteten Thema. Der dritte Satz ist eine Choralbearbeitung, in der sich der leicht verzierte Cantus firmus (auf der Lager Orgel mit dem Register Quintatön 8' hervorgehoben) über einem dreistimmig geführten Satz entfaltet. Die Sonate endet schließlich mit dem ganz schlicht und zurückhaltend intonierten, vierstimmig gesetzten Choral.
Die Musik kann uns somit heute in die Passionszeit einführen und zugleich – z. B. mit der im folgenden zitierten zweiten Choralstrophe – unser Verlangen nach eucharistischer Teilnahme ausdrücken:
„Ach wie hungert mein Gemüte, Menschenfreund, nach deiner Güte; ach wie pfleg ich oft mit Tränen mich nach deiner Kost zu sehnen; ach wie pfleget mich zu dürsten nach dem Trank des Lebensfürsten, dass in diesem Brot und Weine Christus sich mit mir vereine.“


12 – Sonntag, 29.03.2020

Johann Gottlob Töpfer (1791–1870): Sonate d-Moll op. 15

1. Allegro maestoso
2. Andante
3. Finale. Allegro vivace

Das „Klangfenster“ gibt heute einmal den Blick auf ein etwas opulenteres Werk frei: die 1852 entstandene d-Moll-Sonate op. 15 von Johann Gottlob Töpfer. Töpfer lebte und wirkte ab 1830 bis zu seinem Tode in Weimar an der Stadtkirche St. Peter und Paul. Neben seinen über 400 Orgelkompositionen erlangte er jedoch hohe Bedeutung vor allem als Orgelbautheoretiker – seine Formeln zur Mensurierung von Orgelpfeifen dienen Orgelbauern noch heute als Berechnungsgrundlage.
Töpfers dreisätzige Sonate ist ein hoch virtuoses Werk von großer Dramatik. Im ersten Satz ist der Kontrast zwischen dem Hauptthema mit seinen Sechzehntel-Kaskaden und Akkordblöcken und dem aus Terz- und Sechstketten gebildeten, dynamisch zurücktretenden Nebenthema prägend. Die Dramatik steigert sich im Laufe des Satzes, in Takt 108 kommt sogar ein vierstimmiger Akkord im Pedal vor – ein Unikum in der Geschichte der Orgelmusik.
Der lyrische zweite Satz in F-Dur stellt einen Ruhepol dar, doch auch hier bringen perlende, zum Teil dreistimmig geführte Sechzehntelketten Bewegung und Verdichtung.
Mit einem kurzen „Anlauf“ schafft Töpfer den Übergang zum als Fantasie gestalteten Finalsatz, der wiederum in d-Moll steht, hoch virtuos angelegt ist und im mittleren Abschnitt auch ein Fugato enthält. Gegen Ende schwenkt der Satz um in D-Dur und führt mit einem „più animato“ („lebhafter“) zu einem festlich-aufbrausenden Schluss.
In diesen dramatischen Tagen mag uns die Musik vielleicht unsere innere Aufgewühltheit widerspiegeln. Der ruhige zweite Satz kann da richtig wohltuend sein. Umso faszinierender ist es schließlich, im Finalsatz zu hören, wie sich die fast beängstigende Dramatik in freudige Festlichkeit wandelt!


11 – Samstag, 28.03.2020

Johann Sebastian Bach (1685–1750): Vater unser im Himmelreich BWV 636

Heute hören wir ein „Vater unser“ aus Johann Sebastian Bachs „Orgelbüchlein“, einer zwischen 1712 und 1717 in Weimar entstandenen Sammlung von 46 Choralbearbeitungen.
Bach verwendet als Melodievorlage den von Martin Luther geschriebenen Choral „Vater unser im Himmelreich“, der bis heute im Evangelischen Gesangbuch unter Nr. 344 zu finden ist. Dieser ist eine Paraphrase des Vater-unser-Gebets, wobei die Strophen jeweils die einzelnen Zeilen des Gebets weiter ausführen. In seiner Bearbeitung bringt Bach den Cantus firmus im Sopran, die Begleitstimmen werden durch ein Kreuzmotiv bestimmt, also ein musikalisches Motiv aus vier Noten, die, wenn man sie mit Linien verbindet, ein Kreuz bilden. Solche Kreuzmotive (Chiasmus) tauchen in Bachs Musik häufig auf und deuten auf Jesus Christus hin.
Nehmen wir das kurze Werk Bachs heute doch einfach mal als Anregung, ein Vaterunser zu beten…
Das Video zeigt heute einen Ausschnitt aus dem wertvollen Glasfenster-Zyklus der Osterfeiner Kirche: zwei Kinder, die zur Osterfeiner Kirche hin laufen.


10 – Freitag, 27.03.2020

Brian May (geb. 1947): The Show Must Go On

In diesen Tagen, in denen das gesellschaftliche Leben in der uns gewohnten Form komplett zum Erliegen kommt, schwingt auch immer die Frage mit: Wie wird es danach weitergehen? Wann ist „danach“? Und was ist „danach“? Für nicht wenige stellen sich für die Zukunft auch ganz existenzielle Fragen.
Im „Klangfenster“ erklingt heute einmal nicht originäre Orgelmusik, sondern ein Werk aus der Populärmusik, das sich aber – wie ich finde – sehr gut für die Orgel adaptieren lässt. Das Stück der legendären Rockband Queen entstand 1991 und wurde als Single aus dem Album Innuendo veröffentlicht. Die Musiker der Band entwickelten das Stück gemeinsam – Brian May schrieb die Melodie auf die in Achteln fortschreitende, charakteristische Akkordsequenz von John Deacon und Roger Taylor, während Freddie Mercury den Text verfasste. Für letzteren war es eine Zeit zunehmender Ungewissheit über seine Zukunft, da er bereits schwer durch seine AIDS-Erkrankung gezeichnet war – nur wenige Monate später, am 24. November 1991, erlag er seiner schweren Krankheit. Im Grunde ahnte er also zu diesem Zeitpunkt schon, dass es für ihn zu Ende ging. Und dennoch wusste er: „The Show Must Go On“ – irgendwie wird es weitergehen. Augen zu und durch.
Wie treffend bilden doch die ersten Zeilen des Liedes die aktuelle Lage ab: „Empty spaces, what are we living for? Abandoned places, I guess we know the score, on and on.“ Das Video zur Musik zeigt heute Bilder des aktuell leeren St.-Viktor-Doms; eingestreut sind aus der gleichen Kirche kurze Sequenzen von dem übervollen Queen-Projekt-Konzert (Gesang, Orgel, E-Gitarre, Drums) im vergangenen August. Vielleicht stimmen uns diese kurzen Szenen traurig, weil sie vor Augen führen, was möglich war und zurzeit nicht möglich ist. Vielleicht machen sie aber auch Hoffnung auf ein Danach. Denn: „The Show Must Go On“ und „The Show WILL Go On“. Es wird weitergehen! Wir wissen noch nicht wie. Aber legen wir die Zukunft vertrauensvoll in Gottes Hand, dann wissen wir uns getragen in allem, was kommen wird.


9 – Donnerstag, 26.03.2020

Franz Josef Stoiber (geb. 1959): Nun lobet Gott im hohen Thron

Der heutige Gedenktag des Heiligen Liudger wird in der Liturgie des Bistums Münster als Hochfest gefeiert. Damit wird Liudger als erster Bischof von Münster und Glaubensbote geehrt. Der um 742 in Friesland geborene Priester wurde im Jahr 792 mit der Mission bei den Friesen und Sachsen beauftragt. Er gründete das Kloster in Werden an der Ruhr und wurde im März 805 zum ersten Bischof des neugegründeten Bistums Münster geweiht. Nur vier Jahre später starb er auf einer Missionsreise in Billerbeck und wurde im Kloster Werden beigesetzt.
Der Münsteraner Eigenteil des Gotteslobes weist allein vier Lieder zu Ehren des Bistums-Heiligen auf. Eines davon ist unter Nr. 874 das Lied „Wir grüßen dich, Sankt Liudger“, dessen Text der Theologe Friedrich Dörr 1983 auf die bekannte Melodie des Liedes „Nun lobet Gott im hohen Thron“ (GL 393) schrieb.
Als kurze, aber majestätisch-eindrückliche Bearbeitung dieser Melodie stellt das „Klangfenster“ heute eine Version des Regensburger Domorganisten Franz Josef Stoiber vor. Sie stammt aus dem 2013 erschienenen „Orgelbuch der Domorganisten“. Der Choral wird eingerahmt durch ein toccatenhaftes Vor- und Nachspiel, in dem die Liedmelodie fanfarenartig mit den Zungenregistern in der linken Hand erklingt. Die moderne Tonsprache und der majestätische Klang verklanglichen den „Gott im hohen Thron“, wie er auch im Hochaltar des „Dammer Domes“ – auf der Weltkugel thronend, mit dem aufgeschlagenen Buch und den Worten „Ego sum Alpha et Omega“ („Ich bin der Anfang und das Ende“) – dargestellt ist.
Zurück zum Liudger-Lied: In der 6. und 7. Strophe heißt es:
„Du bleibst uns nah als guter Hirt, der uns zum ewgen Leben führt. In dir ist Christus uns erschienen. Lass uns wie du den Menschen dienen. Erfleh der Kirche Festigkeit in unsrer schicksalsschweren Zeit.“
Mögen diese Sätze uns Mut geben: Wie vor über 1200 Jahren mit dem Heiligen Liudger gibt es auch in unserer „schicksalsschweren Zeit“ gute Hirten, die nach seinem Vorbild den Menschen auf ganz vielfältige Weise dienen und damit christliche Gemeinschaft erfahrbar machen.


8 – Mittwoch, 25.03.2020

Franz Liszt (1811–1886): Ave Maria von Arcadelt

Man mag es kaum glauben: Aber in neun Monaten ist schon Weihnachten! Und genau neun Monate vor dem Hochfest der Geburt des Herrn feiern wir heute das Hochfest Verkündigung des Herrn, also den Tag, an dem der Engel zu Maria gesandt wurde und ihr verkündete, dass sie zur Mutter des Gottessohnes erwählt ist. Der Gruß des Engels an Maria steht im Lukas-Evangelium (Lk 1,42): „Gegrüßet seist du Maria…“. In allen Sprachen ist dieser Gruß unzählige Male vertont worden.
Im heutigen „Klangfenster“ hören wir ein Ave Maria für Orgel von Franz Liszt. Der Klaviervirtuose Franz Liszt zog sich ab 1863 teilweise in das Kloster Madonna del Rosario in Rom zurück, wo er sehr zurückgezogen lebte und sich in seinen Kompositionen vorwiegend religiösen Themen widmete. Viele seiner Werke aus dieser Zeit sind von einer geradezu asketisch-meditativen Zurückhaltung geprägt; es ist keine Spur von Virtuosität und vordergründiger Zur-Schau-Stellung zu vernehmen, vielmehr spiegelt sich Liszts tiefe kontemplative Religiosität in dieser Musik wider. Oft beziehen seine Kompositionen dieser Zeit Werke anderer Komponisten mit ein, so auch sein Ave Maria, das auf einem Chorwerk des franko-flämischen Komponisten Jacques Arcadelt (1507–1568) basiert. (Was Liszt nicht wissen konnte, dass es sich bei der Vorlage eigentlich um Arcadelts Chanson „Nous voyons que les hommes“ handelte, das erst 1842 von dem Komponisten Pierre-Louis-Philippe Dietsch (1808–1865) mit dem Text des Ave Maria unterlegt und mit einem vierstimmigen Chorsatz versehen wurde.)
Das Glockenspiel der Dammer Orgel lässt mitten in der Fastenzeit fast schon ein bisschen „Weihnachts-Stimmung“ aufkommen. Vielleicht sehen Sie die Musik ja als Anregung, heute auch einmal das „Ave Maria“ / „Gegrüßet seist du, Maria“ zu beten.


7 – Dienstag, 24.03.2020

Robert Schumann (1810–1856): Studie in C-Dur op. 56 Nr. 1

Robert Schumann ist den meisten eher als Klavierkomponist bekannt, z. B. durch seine „Kinderszenen“, aus denen wohl viele Klavierschüler in ihrem Unterricht schon einzelne Stücke gespielt haben – nicht zuletzt gehört auch die „Träumerei“ zu seinen populären Werken aus diesem Zyklus. Wenn im heutigen „Klangfenster“ ein Orgelwerk von Robert Schumann zu hören ist, ist das allerdings nur die „halbe Wahrheit“, denn sein 1845 entstandenes Opus 56 sind eigentlich „Studien für den Pedalflügel“. Der Pedalflügel ist ein Konzertflügel, wie er uns auch heute noch bekannt ist, mit einer eigenen Pedalklaviatur für die Füße. Solche Instrumente findet man heute nur sehr selten, daher werden Schumanns Werke für den Pedalflügel heute meistens auf der Orgel gespielt.
Seine erste der Sechs Studien für den Pedalflügel op. 56 ist ein strenger Kanon zwischen linker und rechter Hand, d. h. die linke Hand spielt die Stimme der rechten Hand um einen halben Takt und um eine Oktave versetzt. Dazu wird im Pedal durch längere Haltetöne das harmonische Gefüge vervollständigt. Trotz aller polyphonischer Strenge atmet das Werk aber auch einen poetisch-lyrischen Geist, der eine angenehme Leichtigkeit versprüht.
So mag uns Schumanns Werke heute zur „Zerstreuung“ dienen, um die Sorgen des Tages für ein paar Minuten zu vergessen und uns einfach vom Fluss der Musik treiben zu lassen.


6 – Montag, 23.03.2020

Flor Peeters (1903–1986): Gebet um Frieden op. 139

Flor Peeters gehört zu den führenden Komponistenpersönlichkeiten Belgiens, ab 1948 hatte er eine Orgelprofessur am Konservatorium in Antwerpen inne. Sein Gebet um Frieden op. 139 entstand nur wenige Monate vor seinem Tod und ist – abgesehen von einer unvollendeten Paraphrase über das „Regina coeli“ (op. 140) – sein letztes Werk. Peeters widmete es Laurent Monsengwo Pasinya, Bischof der kongolesischen Erzdiözese Kisangani und ein Freund und Schüler von Peeters. Der später zum Kardinal ernannte Monsengwo setzte sich stets mit Nachdruck für den Frieden unter den Völkern ein und leitete zeitweise auch die Friedensbewegung „Pax Christi international“. Bei der Afrika-Synode 2009 sagte Kardinal Monsengwo: „Frieden geht mit Gerechtigkeit einher, die Gerechtigkeit mit Recht und das Recht mit der Wahrheit“ – ein Satz, der nicht nur für Afrika gilt, sondern auch bei uns nicht minder von Bedeutung ist.
Die Orgelmeditation über den Frieden von Flor Peeters beginnt mit weichen, „friedlichen“ Klängen, die sich im weiteren Verlauf zu Disharmonien zuspitzen und dynamisch aufgebaut werden. In der Mitte erklingt ein kurzer, sehr leiser, „sphärischer“ Abschnitt. Nach einem erneuten, noch stärkeren Ausbruch der Disharmonien folgt eine einstimmige Passage, die wie ein mahnendes Wort zum Frieden verstanden werden kann. Daraufhin schließt das Werk mit den „friedlichen“ Klängen vom Anfang.
Zur Musik zeigt das Video den Ausschnitt aus dem Marienaltar der St.-Viktor-Kirche, auf dem die Geburt Jesu im Stall zu Bethlehem gezeigt wird – darüber ist teilweise das Spruchband „und Friede den Menschen auf Erden“ zu lesen. Dieser Lobgesang der Engel auf den Feldern von Betlehem spricht eine unstillbare Sehnsucht der Menschen an: Es soll Friede sein. Auf der ganzen Erde. Und für alle. Vergessen wir trotz aller vielleicht aktuell anders gelagerter persönlicher Betroffenheit nicht den Auftrag, Frieden in der Welt zu schaffen, wie es Gott selbst durch die Geburt seines Sohnes getan hat. Und das kann auch schon ganz im Kleinen, in unserem nächsten Umfeld beginnen.


5 – Sonntag, 22.03.2020

Clemens Bittlinger (geb. 1959): Sei behütet auf deinen Wegen

Der heutige 4. Fastensonntag ist der Sonntag „Laetare“ – benannt nach dem Anfangswort des Introitus „Laetare Jerusalem…“ aus Jesaja 66 (Verse 10–11): „Freut euch mit Jerusalem! Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt. Seid fröhlich mit ihr, alle, die ihr über sie traurig wart. Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust, trinkt und labt euch an ihrem mütterlichen Reichtum!“
Wir hoffen, mit der heutigen Musik alle berühren zu können und die Trauer in Freude zu verwandeln. Heute kommt zur Orgel der Gesang als weiteres Element hinzu: Meine Frau Steffi hat mit mir dieses wunderschöne Lied musiziert. Es stammt von dem Liedermacher und evangelischen Pfarrer Clemens Bittlinger, dessen Lieder inzwischen große Verbreitung gefunden haben. Sein Segenslied „Sei behütet auf deinen Wegen“ stammt aus dem Jahr 1994, die Melodie entstand in Zusammenarbeit mit Fabian Vogt. Ähnlich wie bei den „Irischen Segenswünschen“ gibt uns das Lied den Wunsch nach dem Segen Gottes mit auf den Weg – in allen Situationen, sei es in der Nacht oder am Tag, in guten und in schlechten Tagen, und in der Hoffnung, dass wir uns bald wiedersehen: „Und bis wir uns einmal wiedersehn, soll’n die Worte dein Begleiter sein“, so heißt es in der 3. Strophe. Mögen die Klänge des Liedes auch Euch und Ihnen Begleiter durch den heutigen Tag sein – „bis wir uns einmal wiedersehen“.
Eines ist jedenfalls gewiss: Gott bleibt bei uns! Das sagt uns die Kerze, die seit einigen Tagen jeden Tag von morgens bis abends in der St.-Viktor-Kirche brennt und im Video zu sehen ist.


4 – Samstag, 21.03.2020

Padre Davide da Bergamo (1791–1863): Versetto in Re

Heute richten wir aus aktuellem Anlass den Blick einmal auch musikalisch auf die norditalienische Stadt Bergamo. Beispielhaft steht diese Stadt für die Gefahr, die von dem Corona-Virus ausgeht: Heute ging es durch die Nachrichten, dass hier allein in der letzten Woche 300 Personen starben.
Auf den ersten Blick mag die eher fröhliche Musik dazu so gar nicht passen. Sie stammt von dem Komponisten und Franziskanerpater Padre Davide da Bergamo (mit bürgerlichem Namen Felice Moretti), der in Zanica bei Bergamo geboren wurde und von 1818 bis zu seinem Tode als Organist im Kloster Santa Maria di Campagna in Piacenza wirkte. Er war seinerzeit durch eine rege Konzerttätigkeit als Orgelvirtuose weit bekannt, und er schrieb eine große Zahl von Orgelwerken. Seine Musik ist sehr dem damaligen Zeitgeist verhaftet, bei dem italienische Fröhlichkeit und Opernmelodien auch in die Kirche Einzug hielten. Auch Märsche und Walzer o. ä. waren keine Seltenheit in der Kirche.
Padre Davides Versetto in Re ist ein kurzes Musikstück für die Verwendung Liturgie. Die Melodie liegt in der linken Hand, während die rechte Hand weitgehend die akkordische Begleitung übernimmt. Zwischendurch wird die Musik immer wieder durch die für die italienische Orgelmusik dieser Zeit typischen Akkordschläge im vollen Klang der Orgel strukturiert.
In Verbindung mit den traurigen Ereignissen in Bergamo mag die beschwingte Musik des in Bergamo geborenen Komponisten uns auch in schweren Zeiten Trost, Hoffnung und auch Freude schenken. Lassen wir uns nicht unterkriegen!


3 – Freitag, 20.03.2020

Johann Sebastian Bach (1685–1750): O Lamm Gottes unschuldig BWV 656

Die drei Orgelverse über das lutherische Kirchenlied „O Lamm Gottes unschuldig“ stehen in der Sammlung der sogenannten „Achtzehn Orgelchoräle aus der Leipziger Originalhandschrift“ von Johann Sebastian Bach. Sie entstanden zwischen 1708 und 1717 und bilden sozusagen das großformatige Pendant zu den durchweg knapp formulierten Sätzen des Orgelbüchleins.
Der Choral ist eine Paraphrase des Agnus Dei (Lamm Gottes), das auch Bestandteil jeder katholischen Liturgiefeier ist (vgl. GL 203). Die Dreiteiligkeit des Gebets (zweimal „erbarme dich unser“ und einmal „gib uns deinen Frieden“) spiegelt sich auch in den drei Versen von Bachs Bearbeitung wider. Die ersten beiden Verse sind rein manualiter: im ersten Vers erscheint der Choral verziert in der Sopranstimme, der zweite Vers bringt den Cantus firmus in der Mittelstimme. Im dritten Vers kommt schließlich das Pedal hinzu, das den Choral gut hörbar im Bass wiedergibt.
Wenn wir in diesen Tagen die Eucharistie nicht am Altar mitfeiern können, so kann uns diese Musik zum „Lamm Gottes“ doch zumindest die Bedeutung der Brechung des Brotes, der Eucharistie ins Gedächtnis rufen.
Eine weitere Komponente des Liedes eröffnet das Bild aus der Dammer St.-Viktor-Kirche, das zu der Musik zu sehen ist. Es ist das Bildnis des Gotteslamms auf dem Buch mit den sieben Siegeln, das sich zentral oben in der Vierung befindet. In der Geheimen Offenbarung des Johannes wird in der Bibel ein Buch gezeigt, dessen Siegel durch das Lamm Gottes geöffnet werden. So öffnet uns das Lamm Gottes – dargestellt mit Siegesfahne und Kelch – die Geheimnisse der Heiligen Schrift und macht sie in der Eucharistie für uns erfahrbar. Die Schrecken der Prophezeiung, wie sie in der Johannesoffenbarung dargestellt werden, wollen uns letztlich nur wachrütteln, uns auf das Kommen Jesu vorzubereiten – eigentlich sind sie also Hoffnungszeichen für eine freudenreiche Zukunft.


2 – Donnerstag, 19.03.2020

Ulrich Grimpe (geb. 1964): Du, aus Davids Stamm geboren (Liedversette und Choral)

Heute – am Hochfest des Hl. Josef, des Bräutigams der Gottesmutter Maria – erklingt ein recht kurzes Orgelwerk: eine Liedversette samt Choral über das Josefslied „Du, aus Davids Stamm geboren“. Dieses Lied steht im Münsteraner Eigenteil des Gotteslobs unter Nr. 872 und betrachtet in insgesamt sechs Strophen das Leben des Heiligen Josef. Melodie und Text stammen aus Münster und entstanden bereits im 17. Jahrhundert, in anderen Bistümern sind teilweise abweichende Melodien und Texte bekannt (so zum Beispiel im Eigenteil der Metropolie Hamburg, GL 915).
Die Liedversette von Ulrich Grimpe, seit 2003 Leiter des Referats Kirchenmusik im Bischöflichen Generalvikariat Münster, orientiert sich im Ablauf genau am Melodieverlauf, wobei sich die einzelnen Abschnitte jeweils von der Ein- zur Dreistimmigkeit aufbauen. Es folgt eine Choralstrophe in der Harmonisierung von Ulrich Grimpe. Kirchenmusiker Gabriel Isenberg spielt an der Truhenorgel der Pfarrei St. Viktor.
Das zur Musik gezeigte Bild ist ein Halbrelief des Hl. Josef als Beschützer, das sich links vorne in der Dammer St.-Viktor-Kirche befindet. Unter Josefs ausgebreitetem Mantel sehen wir die St.-Viktor-Kirche nebst Architekten und Baumeister, womit auch der Heilige Josef als Schutzpatron der Handwerker angesprochen wird.
Als kurzes Gebet zum Hl. Josef kann uns der zweite Teil der ersten Strophe des Josefslieds dienen:
„Treuer Joseph, mir auch biete deine väterliche Hand und beständiglich behüte mich, dein Kind, vor Sünd und Schand“!


1 – Mittwoch, 18.03.2020

Johann Peter Kellner (1705–1772): Was Gott tut, das ist wohlgetan

Johann Peter Kellner war 45 Jahre seines Lebens Schuldiener, Kantor und Organist an der Kirche St. Laurentius seines Heimatdorfes Gräfenroda (heute Thüringen). Sein Name war weit über die Grenzen seines Wirkungsortes bekannt, was ihm auch eine große Anzahl Schüler einbrachte. Es gibt sogar Vermutungen, dass die berühmte Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, die wahrscheinlich gar keine eigene Komposition Johann Sebastian Bachs ist, Johann Peter Kellner oder seinem Schülerkreis zuzuschreiben sein könnte. Zu seinen Werken gehören zahlreiche Kantaten und Orgelwerke.
Die Orgelbearbeitung des Chorals „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ ist für zwei Manuale und Pedal geschrieben, wobei der Cantus firmus relativ wenig verziert in der Sopranstimme erklingt und sich mit einem ritornell-artigen Motiv der Begleitstimmen abwechselt.
Der Text des bekannten Liedes „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ (mit einer Strophenauswahl unter Nr. 416 im Gotteslob) stammt aus der Feder des Dichters Samuel Rodigast. Es wird gesagt, dass Rodigast den Text 1675 seinem erkrankten Freund, dem Kantor Severus Gastorius, schrieb, um ihm damit Trost zuzusprechen. Gastorius vertonte den Text später mit der bis heute bekannten Melodie.
Auch in diesen Tagen, in denen der Corona-Virus uns Unsicherheit um unsere Gesundheit gibt und die Veränderungen des Alltags uns vielleicht Angst und Sorgen bereiten, kann Rodigasts Dichtung uns Trost und Hoffnung spenden. Gottes Wege sind für uns Menschen nicht immer verständlich, aber wir können darauf vertrauen, dass er uns in seinen Händen hält. So drücken es z. B. die ersten beiden Strophen des Liedes aus:

1) Was Gott tut, das ist wohlgetan,
es bleibt gerecht sein Wille;
wie er fängt seine Sachen an,
will ich ihm halten stille.
Er ist mein Gott, der in der Not
mich wohl weiß zu erhalten;
drum lass ich ihn nur walten.

2) Was Gott tut, das ist wohlgetan,
er wird mich nicht betrügen;
er führet mich auf rechter Bahn;
so lass ich mir genügen
an seiner Huld
und hab Geduld,
er wird mein Unglück wenden,
es steht in seinen Händen.

Gleichzeitig möchte ich mit dieser Choralbearbeitung den Kirchenmusik-Kollegen Georg Escher ins Gebet einschließen, der über viele Jahrzehnte als Organist und Chorleiter das kirchenmusikalische Leben in Osterfeine geprägt hat. Er ist am gestrigen Tag im Alter von 91 Jahren verstorben – das Lied „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ gehörte zu seinen Lieblingsliedern.